Hintergrund
In dem Beschluss vom 04.12.2024 – 6 StR 232/24 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut zur Darstellungsanforderung bei Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen Stellung genommen. Die Entscheidung betrifft ein Urteil des Landgerichts Verden, das einen Angeklagten wegen vielfachen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter verurteilt hatte. Die Beweiswürdigung stützte sich im Wesentlichen auf die Angaben der Nebenklägerin sowie eine teilweise geständige Einlassung des Angeklagten.
Kernaussage des BGH
Der BGH hebt das Urteil auf, weil die Beweiswürdigung nicht den hohen Anforderungen entspricht, die in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen zu beachten sind:
- Weichen Angaben des Belastungszeugen im Verfahren voneinander ab, müssen alle relevanten Aussagen zumindest in gedrängter Form, aber in geschlossener Darstellung in den Urteilsgründen wiedergegeben werden.
- Nur so kann das Revisionsgericht überprüfen, ob eine fachgerechte Konstanzanalyse erfolgt und Widersprüche richtig gewichtet wurden.
- Die Darstellung darf dabei nicht wertend, sondern muss neutral und sachlich sein.
Weitere Mängel im Urteil
Das Landgericht hatte nicht nur die wesentlichen Aussageinhalte unzureichend dargestellt, sondern auch weitere Verfahrensfehler begangen:
- Keine Mitteilung darüber, ob psychologische Beratung vor der ersten polizeilichen Vernehmung Einfluss auf die Aussage genommen haben könnte.
- Einordnung widersprüchlicher Verhaltensweisen der Nebenklägerin ohne ausreichende Darstellung der zugrundeliegenden Aussagen.
- Einstellung der schwerwiegendsten Vorwürfe gem. § 154 Abs. 2 StPO ohne Begründung – obwohl dies für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Bedeutung gewesen wäre.
Bedeutung für die Praxis
Der Beschluss bekräftigt die strengen Anforderungen an die Beweiswürdigung in besonders sensiblen Verfahren – wie im Sexualstrafrecht. Gerichte müssen in solchen Fällen sehr sorgfältig, methodisch und transparent vorgehen.
Verteidiger können sich auf diese Entscheidung berufen, wenn die Beweisgrundlage unzureichend dokumentiert ist oder Konstanzanalysen fehlen. Auch auf unkommentierte Bezugnahmen auf andere Verfahrensbestandteile kann ein Revisionsangriff gestützt werden.
Ansprechpartner für Sexualstrafrecht
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