BGH zu § 63 StGB: Anforderungen an die richterliche Überzeugung bei Unterbringung

Beschluss vom 25.06.2025 – 2 StR 203/25

Hintergrund

Mit Beschluss vom 25. Juni 2025 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Urteil des Landgerichts Kassel aufgehoben, das die Unterbringung eines Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB angeordnet hatte. Grund war ein Verstoß gegen die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gemäß § 261 StPO.

Der Fall

Der Angeklagte, der an paranoider Schizophrenie mit Verfolgungs- und Vergiftungswahn leidet, hatte in einer Gemeinschaftsunterkunft einen Mitbewohner mit einem Messer verletzt. Das Landgericht sprach ihn wegen Schuldunfähigkeit vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung frei und ordnete stattdessen seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an.

Fehlerhafte richterliche Würdigung

Die Strafkammer hatte sich auf die Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen gestützt, wonach es „denkbar“ oder „vermutlich“ sei, dass der Angeklagte in seiner Wahnsymptomatik das Tatopfer wahnhaft fehlinterpretiert habe. Diese Formulierungen ließen jedoch offen, ob die Einsichtsfähigkeit des Angeklagten tatsächlich sicher ausgeschlossen war – ein für die Anordnung gem. § 63 StGB notwendiges Kriterium.

Der BGH rügte, dass damit nicht mit der erforderlichen Überzeugung festgestellt worden sei, dass eine der Eingangsbedingungen des § 20 StGB (Schuldunfähigkeit) vorlag. Solche unklaren Formulierungen wie „nicht auszuschließen“, „denkbar“ oder „mit einiger Wahrscheinlichkeit“ genügen den strengen Anforderungen nicht.

Weitere Kritikpunkte

Zusätzlich bemängelte der BGH, dass das Landgericht Feststellungen nicht ausreichend gewürdigt habe, die gegen eine fehlende Einsichtsfähigkeit sprechen:

  • Der Angeklagte hatte die Tat selbst bei der Polizei gemeldet.
  • Er begründete sein Verhalten mit einem Streit über die Nutzung der Dusche.
  • Auch in der Hauptverhandlung blieb er bei dieser rationalen Motivation.

Diese Umstände hätten die Strafkammer zu einer genaueren Auseinandersetzung veranlassen müssen.

Folgen der Entscheidung

Da der BGH die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung nicht als rechtsfehlerfrei festgestellt ansah, hob er sowohl den Unterbringungsbeschluss als auch den auf Schuldunfähigkeit gestützten Freispruch auf.

Hinweis: Das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO steht einer Strafverurteilung im neuen Verfahren nicht entgegen, sofern sich dort die Schuldfähigkeit des Angeklagten feststellen lässt. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung zeigt die strengen Anforderungen an die Feststellungen zur Schuldfähigkeit und Unterbringung nach § 63 StGB. Die bloße Bezugnahme auf Wahnsymptome reicht nicht aus, wenn nicht konkret festgestellt wird, dass diese die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt sicher aufgehoben haben.

Verteidigung und Gericht sind gefordert, psychiatrische Einschätzungen kritisch zu würdigen und die Schlüsse auf eine Schuldunfähigkeit nachvollziehbar und widerspruchsfrei zu begründen.

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