Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 21. August 2024 – 5 AZR 248/23 entschieden, dass eine zeitlich auffällige Krankschreibung nach Eigenkündigung den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern kann. Dies hat zur Folge, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entfällt – wenn es dem Arbeitnehmer nicht gelingt, seine tatsächliche Arbeitsunfähigkeit anders zu beweisen.
Hintergrund des Falls
Die Klägerin hatte ihr Arbeitsverhältnis am 5. Mai 2022 durch Eigenkündigung zum 15. Juni 2022 beendet. Direkt am Folgetag legte sie eine Krankschreibung vor, der vier weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen folgten – lückenlos bis zum letzten Tag der Kündigungsfrist. Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung, da er den Verdacht eines missbräuchlichen Krankmeldens äußerte.
Die Entscheidung des BAG
Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein und wies die Revision der Klägerin zurück. Es sah den Beweiswert der vorgelegten AU-Bescheinigungen als erschüttert an – insbesondere wegen folgender Umstände:
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Die Krankschreibung erfolgte unmittelbar nach Kündigungsentschluss der Klägerin.
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Die Arbeitsunfähigkeit war exakt auf die Dauer der Kündigungsfrist abgestimmt.
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Die Klägerin bat bereits im Kündigungsschreiben um die Zusendung ihrer Arbeitspapiere und deutete damit an, nicht mehr zur Arbeit zurückkehren zu wollen.
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Der behandelnde Arzt konnte im Rahmen der Beweisaufnahme die Arbeitsunfähigkeit nicht sicher bestätigen.
Das BAG stellte klar: Eine auffällige zeitliche Koinzidenz zwischen Kündigung und Arbeitsunfähigkeit kann den Beweiswert der AU-Bescheinigung erschüttern. In einem solchen Fall trägt der Arbeitnehmer erneut die Beweislast für die tatsächliche Arbeitsunfähigkeit – und kann im Zweifel leer ausgehen.
Praktische Relevanz
Diese Entscheidung hat erhebliche Bedeutung für die Beweisführung im Entgeltfortzahlungsprozess:
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Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen behalten grundsätzlich ihren hohen Beweiswert.
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Dieser Beweiswert kann jedoch erschüttert werden – etwa durch Auffälligkeiten in zeitlicher Nähe zur Kündigung.
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Gelingt dem Arbeitnehmer danach kein weiterer Nachweis der Erkrankung (z. B. durch Zeugenaussagen oder ärztliche Erläuterungen), besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Arbeitgeber sind also nicht verpflichtet, eine AU-Bescheinigung in jedem Fall hinzunehmen – sie dürfen kritische Umstände hinterfragen.
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