In seinem Urteil vom 4. Dezember 2024 – 5 StR 498/23 hat der Bundesgerichtshof (BGH) zentrale Teile eines landgerichtlichen Urteils zur strafrechtlichen Aufarbeitung von Betrügereien mit Corona-Teststellen aufgehoben. Die Entscheidung betrifft die Abrechnung fingierter Schnelltests und setzt neue Maßstäbe bei der Bewertung von Täuschung, Schadensermittlung und der Einziehung von Taterträgen.
Der Fall: Corona-Testbetrug in Millionenhöhe
Ein Berliner Unternehmer hatte unter eigenem und falschem Namen insgesamt 18 Teststellen angemeldet, von denen viele tatsächlich niemals betrieben wurden. Zwischen Mai und Oktober 2021 rechnete er über die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV Berlin) Corona-Tests im Wert von knapp 9,7 Millionen Euro ab – obwohl ein Großteil dieser Tests gar nicht stattfand. Die Gelder wurden auf Konten überwiesen, zu denen er uneingeschränkt Zugriff hatte.
Seine Schwester, Mitangeklagte im Verfahren, stellte ihm private Bankkonten zur Verfügung, über die Zahlungen liefen und von denen sie insgesamt 550.000 Euro in bar abhob und an ihn weiterreichte – obwohl sie die Herkunft der Gelder zumindest als dubios einschätzte.
Die Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof hob das Urteil teilweise auf. Insbesondere bemängelte er:
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Widersprüchliche und lückenhafte Feststellungen des Landgerichts zu tatsächlich durchgeführten Tests.
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Unklare Begründung für die teilweise Nicht-Einziehung von Taterträgen.
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Fehlerhafte Anwendung des Zweifelssatzes zugunsten des Angeklagten, ohne Gesamtwürdigung.
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Mangelnde Prüfung, ob auch bei tatsächlich durchgeführten Tests eine Täuschung über qualitative Voraussetzungen (z. B. Schulung, Dokumentation, Wartezeit) vorlag.
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Nicht ausreichende Feststellungen zum Vorsatz der Mitangeklagten – eine Strafbarkeit wegen Beihilfe oder Geldwäsche sei ggf. näher zu prüfen.
Zentrale Rechtsfragen im Fokus
Das Urteil setzt sich ausführlich mit der Frage auseinander, wann Testleistungen trotz formaler Durchführung keinen Erstattungsanspruch auslösen – etwa wegen mangelnder Schulung, fehlender Dokumentation oder Umgehung der gesetzlichen Qualitätsanforderungen (§§ 6, 7 TestV). Daraus folgt:
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Auch formal korrekt abgerechnete Leistungen können zu einem vollständigen Vermögensschaden führen, wenn sie nicht ordnungsgemäß erbracht oder dokumentiert wurden.
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Täuschung liegt bereits dann vor, wenn stillschweigend suggeriert wird, alle rechtlichen Voraussetzungen seien erfüllt.
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Einziehungsentscheidungen nach § 73 StGB sind nur dann zulässig, wenn der Tatbestand des Betrugs auch hinsichtlich der „realen“ Leistungsteile vollumfänglich geprüft wurde.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung des 5. Strafsenats ist von großer Bedeutung für künftige Verfahren im Zusammenhang mit der Abrechnung von Gesundheitsleistungen:
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Sie verschärft die Anforderungen an die richterliche Feststellungspflicht, insbesondere bei gemischten Fallkonstellationen (echte und fingierte Leistungen).
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Sie bestätigt die Relevanz einer konkludenten Täuschung über Abrechnungsvoraussetzungen im Gesundheitswesen.
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Sie gibt Hinweise auf die Grenzen der Einziehung, insbesondere im Spannungsverhältnis zu möglichen Aufwendungen und Teilerstattungsansprüchen.
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