Das vermutlich in der Praxis am häufigsten anzutreffende Regelbeispiel enthält § 370 Abs. 3 Nr. 1 AO. Dieses sieht vor, dass der erhöhte Strafrahmen regelmäßig dann angewendet werden soll, wenn „in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt“ worden sind. Es handelt sich dabei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der durch die Rechtsprechung weitere Konturierung erfahren hat. Die Entwicklung unterliegt dem ständigen Wandel, sodass auch davon auszugehen ist, dass die aktuelle Regelung noch eine weitere Verschärfung erfahren wird.
Der BGH hat in aktueller Rechtsprechung zwei Wertgrenzen festgelegt:
Erschöpft sich das Verhalten des Täters darin, die zuständige Behörde pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen, so ist das große Ausmaß ab einem Betrag von 100.000 € erreicht.
Ist der Fall allerdings so, dass der Täter seitens des Finanzamtes Zahlungen erlangt, so hat der Bundesgerichtshof eine Wertgrenze i.H.v. 50.000 € zur Erfüllung des Regelbeispiels festgelegt. Diese Differenzierung ergibt sich daraus, dass Steuerzahler und Staat durch diese betrugsähnliche Tatbestandsverwirklichung unmittelbar geschädigt werden.
Diese Wertgrenzen sehen auf den ersten Blick relativ hoch aus, sind in der Praxis jedoch sehr schnell erreicht. Das gilt auch und insbesondere bei umsatzsteuerrelevanten Sachverhalten, die oftmals gerade in einer Zahlung des Finanzamtes münden.
Besonders virulent wird dies in den Umsatzsteuerketten-Betrugsfällen, genannt Umsatzsteuerkarussell, die gerade darauf ausgerichtet sind, möglichst hohe Umsatzsteuererstattungen zu generieren. Oftmals kommt es hier zu Auszahlungen mehrerer Millionen aufgrund des schwer zu ermittelnden, grenzüberschreitenden Sachverhalts.
Klar ist aber auch, dass die Luft für den Steuerpflichtigen und Beschuldigten im Strafverfahren beim Vorliegen mehrerer besonders schwerer Fälle dünn wird und hier eine besonders präzise Arbeitsweise des Steuerstrafverteidigers notwendig ist.