Das Kammergericht Berlin hat in seinem Urteil vom 01.04.2021 entschieden, dass bei einer staatlich angeordneten Geschäftsschließung wegen der Corona-Pandemie die Miete gemäß § 313 BGB auf die Hälfte herabzusetzen sein kann, ohne dass eine Existenzbedrohung des Mieters im Einzelfall festgestellt werden muss.

Die Klägerin konnte die Räume, die sie vor Beginn der Covid- Pandemie gemietet hatte, durch hierzu ergangene staatliche Vorschriften oder Anordnungen über die Schließung überhaupt nicht in der vertraglich vorgesehenen Weise für ihr Gewerbe nutzen.

Das Gericht führt in seinem Urteil aus, § 313 BGB werde durch das Gewährleistungsrecht nicht verdrängt. Das Gewährleistungsrecht sei nicht einschlägig. Kernfrage im Rahmen von § 313 Abs. 1 BGB sei das normative Element, nämlich ob einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

„Es geht hier aber nicht um ein „normales“ Risiko der Gebrauchstauglichkeit bzw. Verwendung des Mietobjekts, sondern um weitgehende staatliche Eingriffe in das soziale und wirtschaftliche Leben aufgrund einer Pandemie, die als Systemkrise eine Störung der großen Geschäftsgrundlage ist. Das mit der Störung der großen Geschäftsgrundlage verbundene Risiko kann regelmäßig keiner Vertragspartei allein zugewiesen werden (vgl. OLG Dresden, aaO, Rn 40; LG Mönchengladbach, Urteil vom 02.11.2020 – 12 O 154/20, Rn 41). Der aufgrund der Pandemie staatlich angeordnete Shutdown stellt einen derart tiefgreifenden, unvorhersehbaren, außerhalb der Verantwortungssphäre beider Vertragsparteien liegenden und potentiell existenzgefährdenden Eingriff in die im Vertrag vorausgesetzte Nutzungsmöglichkeit dar, dass – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – die Nachteile solidarisch von beiden Vertragsparteien zu tragen sind und die Miete bei vollständiger Betriebsuntersagung zur Hälfte zu reduzieren ist (so OLG Dresden, aaO, Rn 44; LG München I, Urteil vom 05.10.2020 – 34 O 6013/20 juris Rn. 37; LG Mönchengladbach a.a.O. Rn. 45; LG Kempten a.a.O. Rn. 37; Artz/Streyl a.a.O. Rn. 80 ff., 93).

 […]

 [47] Es ist für einen Anspruch aus § 313 BGB nicht unabdingbar, dass eine konkrete Existenzbedrohung für den Mieter anhand seiner betriebswirtschaftlichen Daten positiv festgestellt wird, sondern es sind die „unter Umständen existenziell bedeutsame Folgen“ im Sinne der BGH-Rechtsprechung zu vermuten, wenn eine angeordnete Schließung einen Monat oder länger andauert (ebenso Artz/Streyl a.a.O. Rn. 79).

 [48] Staatliche Hilfen sind zwar grundsätzlich (entsprechend der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 19/25322) mit zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin (bzw. ihre Bank) – unbestritten – die zunächst gezahlte Corona-Hilfe in Höhe von 15.000,00 € an die Investitionsbank Berlin zurückgezahlt. Soweit für die Monate April und Mai 2020 Kurzarbeitergeld an die Klägerin gezahlt worden ist, hat die Klägerin – unbestritten – vorgetragen, dass dieses an ihre Mitarbeiter ausgezahlt worden ist und die Arbeitgeberanteile abgeführt worden sind. Die Zahlung von Kurzarbeitergeld allein ändert nichts an der Unzumutbarkeit der Mietbelastung.

 [49] Die Klägerin hat auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Nichtzahlung der Miete auf die behördlich angeordnete Schließung des Spielbetriebes zurückzuführen war

 Nach der SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmeverordnung vom 22./24.03.2020 und den hierzu ergangenen Änderungsverordnungen wurde – wie ausgeführt – die Schließung der Spielhalle angeordnet wurde, so dass in den streitgegenständlichen Monaten ein kompletter Umsatzausfall mit fehlenden Einnahmen auf der Hand liegt.

 Maßgeblich ist der signifikante Wegfall von Einnahmen infolge der Pandemie (s. OLG Nürnberg Beschluss vom 19.01.2020 – 13 U 3078/20, GE 2020, 1625, Rn 16; Illner/Beneke in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack, BGB, 4. Aufl., Art 240 § 2 EGBGB Rn 5; beckOKG/Geib, 1.1.21, Art 240 § 2 EGBGB Rn 28 f.). Die Nichtzahlung „beruht“ schon dann auf der Pandemie, wenn sie deren unmittelbare oder mittelbare Folge ist und ohne die Pandemie nicht eingetreten wäre (Geib a.a.O., Rn 30; vgl. OLG Nürnberg a.a.O., Rn 16; MüKo/Häublein, EGBGB, 1. Aufl. 2020, Art 240 § 2 Rn 19).

 […]

 Ohne Erfolg macht der Beklagte mit der Berufung geltend, dass sich aus der Bilanz 2018 der Klägerin ergebe, dass die Klägerin bereits seinerzeit überschuldet, jedenfalls in finanziellen Schwierigkeiten gesteckt habe und daher die Nichtzahlung nicht auf die Pandemie zurückzuführen sei. Die Bilanz aus dem Jahre 2018 ist indes nicht aussagekräftig für den hier maßgeblichen Zeitraum April/Mai 2020. Die Miete ist – so ist von der Geschäftsführerin eidesstattlich versichert – bis dahin gezahlt worden, was der Beklagte nicht in Abrede stellt. Ferner hat der Beklagte selbst vorgetragen, dass seit Juni 2020 insgesamt 25.000,00 € gezahlt worden sind (Bd. II, Bl. 115). Hiernach hat die Klägerin durchaus über liquide Mittel verfügt.

 Das Beruhen der Nichtleistung im Sinne der genannten Vorschrift liegt bereits dann vor, wenn eine Mitursächlichkeit der Pandemie hierfür anzunehmen ist; einen strengeren Maßstab (im Sinne alleiniger Kausalität) rechtfertigt weder die zitierte Gesetzesbegründung noch der sonstige Gebrauch der Beruhensbegriff im Rechtsleben (vgl. OLG Nürnberg Beschluss vom 19.10.2020 – 13 U 3078/20, Grundeigentum 2020,1625, Tz. 14 nach juris).

 [50] Vorliegend war der Klägerin der Betrieb ihres Geschäfts – nämlich das Betreiben der Spielhalle – vollständig untersagt. Daher erscheint es gerechtfertigt, dass die Nachteile der vollständigen Betriebsuntersagung von beiden Parteien solidarisch getragen und die Miete auf die Hälfte reduziert wird.

 Die Klägerin hat auf die Rückstände für die Monate April und Mai 2020 unstreitig 2.500,00 € gezahlt. Hiernach ergibt sich ein offener Zahlungsanspruch in Höhe von 690,00 € (6.380,00 € abzüglich 50 % = 3.190,00 € abzüglich Zahlung von 2.500,00 €). Der Hilfsaufrechnung in der Berufungserwiderung steht Ziffer 13.1 des Mietvertrages entgegen und auch § 533 ZPO.

 [51] Für die Entscheidung kann dahin gestellt bleiben, in welchem Umfang eine Mietreduzierung in Betracht kommt, wenn der Mieter seinen (im Kernbereich untersagten) Betrieb eingeschränkt weitergeführt hat oder dies in zumutbarer Weise hätte tun können (z. B. Außerhausverkauf eines Restaurants, Onlineverkauf eines Einzelhandelsgeschäfts). Auch muss für den vorliegenden Fall nicht entschieden werden, wie sonstige Beschränkungen – etwa hinsichtlich Öffnungszeiten, der zu nutzenden Ladenfläche oder der zuzulassenden Personen – zu bewerten sind.“

 

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